Dasselbe in Grün

Die Geschichte der Autofarben

Dasselbe in Grün

5. Mai 2023 agvs-upsa.ch – Wussten Sie, warum Ferraris meist rot sind, wer die Lackierpistole erfand, dass es Autofarbentrendexperten gibt und wie teuer das schwärzeste Schwarz kommt? Wir tauchen in die Geschichte ein, berichten vom «pink Cadillac» und wie ein Opel einst die Redewendung «Dasselbe in Grün» auslöste.

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Knallfarben: Lamborghini wollte sich so – hier am 1966er Miura –  auch farblich von Ferrari abgrenzen. Foto: Lamborghini

tpf. Schusterpech! Das erste Auto der Welt war, kein Scherz, mit Schusterpech «lackiert». Eigentlich zum Haltbarmachen der Fäden beim Vernähen von Schuhen gedacht, basierte es auf Harzöl oder Paraffin und musste per Pinsel auf-getragen werden – womit gesagt wäre, warum der Patent-Motorwagen von Carl Benz aus dem Jahr 1886 nur Schusterpech als Korrosions-schutz trug: Aller Anfang war schwarz und ausgesprochen glanzlos. Es bestand kein psychologischer Drang zu individuellen Lackierungen: Wer vor dem Jahr 1900 ein eigenes Auto hatte, hob sich damit ohnehin aus der Masse ab.

Der Wunsch nach einer «richtigen» Lackierung wurde in der Frühzeit des Automobils bestraft: Platzte wegen der notwendigen Schichtdicken die Farbe von einer sich wetterbedingt verziehenden Holzkarosserie ab, begann das Lackierspiel von vorne, denn Farben liessen sich noch nicht exakt reproduzieren. Also Ganzlackierung. Die dauerte und kostete: Sechs bis acht Tage ging der Prozess – die noch mit dem Hammer getriebenen Blechteile glätten, Spachteln, Schleifen, Pinseln, Trocknen, Pinseln, Trocknen. Es gab Kutschenlacke, Öl-lacke (Leinöl) und teure Bernsteinlacke. Was es nicht gab, war Leuchtkraft. Oder Auswahl: Schwarz, Blau, Grün, Beige und Rot – fertig. Also liess man es lieber bleiben.

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Missverständnis: Das Ford Model T war ab 1908 nicht nur in Schwarz zu haben, wie es oft heisst. Aber im siebten Jahr wurde dies eingeführt, um Kosten zu sparen. Foto: Ford

Wie Albert Krautzberger alles umkrempelte
Dann kam die Spritzpistole! Im Internet wird als Erfinder oft der Arzt Allen de Vilbiss aus Toledo im US-Bundesstaat Ohio genannt, der um 1890 damit Medikamente im Rachen von Patienten applizieren wollte und dessen Sohn Tom daraus 1907 ein Lackiergerät entwickelte. Zu spät – denn die Ehre, der Erfinder der Lackierpistole gewesen zu sein, gebührt Albert Krautzberger, der 1902 ein «durch Druckluft betriebenes Malgerät» patentierte und ab 1903 herstellte. Bis heute arbeitet das Gros der Lackierpistolen nach dem Krautzberger-Prinzip, und bis heute stellt die global tätige Krautzberger GmbH im deutschen Eltville neben beispielsweise Lackieranlagen auch die traditionsreichen Handlackierapparate her.

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Pionier: Albert Krautzberger (links) patentierte 1902 die Spritzpistole (rechts im Einsatz). Fotos: Krautzberger GmbH
 
In den 1910er-Jahren fand die Spritzpistole ihren besten Freund: Nitrocelluloselacke auf Kunstharzbasis, die schnell – naja, halt schneller, in 48 Stunden – trockneten. Ironischer-weise führte dies aber erst mal zu eintöniger Farbgebung. In einer Zeit, als offen war, ob sich Benzin-, Elektro- oder Dampfantrieb durchsetzen, plädierte Henry Ford für Benzin und startete 1908 die Massenmotorisierung mit dem ersten Fliessbandauto. Anders als heute oft behauptet, war das Ford Model T zuerst keineswegs nur schwarz zu haben. Erst im siebten Produktionsjahr stellte Ford um, um das Auto noch günstiger zu machen. Warum Schwarz? Weil dann eine Lackierstrasse reichte und weil «Japan-Schwarz» am schnellsten trocknete. Erst 1923 brachte DuPont (heute DuPont de Nemours) einen schnell trocknenden Blauton, den zuerst General Motors (GM) nutzte.

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Kunterbunter Misserfolg: Vom VW Polo «Harlekin» wurden von 1995 bis 1997 nur 3800 Stück verkauft. Foto: VW

Ferraris Rot gehörte erst den Amerikanern
Es wurde bunter, und bald hatten einige Automarken eine «Hausfarbe». Oft aus dem Rennsport. Im Jahr 1900 waren an einem französischen Autorennen die Teilnehmenden erstmals in Farben nach Herkunftsland unterwegs – eine Idee des polnischen Grafen Eliot Morris Zborowski, um den Zuschauern die Unterscheidung zu erleichtern. Dabei startete zum Beispiel Frankreich blau, Belgien gelb, Deutschland weiss und die USA rot. Moment, Rot steht doch für Italien? Sowohl die Farbe selbst wie deren Zuordnung änderte sich noch: Das anfangs noch dunklere Rot gehörte dann Italien und ist untrennbar mit Ferrari oder Alfa Romeo verbunden; die USA wechselten zu Weiss-Blau und Blau-Weiss. Auch das Grün der Briten war erst heller, ehe daraus «British Racing Green» wurde. Die Schweiz startete in Weiss mit roten Elementen.

Die ab 1950 auch in der F1 verbindliche Farbcodierung wurde ab 1968 nach und nach in allen Rennklassen abgeschafft. Wieso? Des Geldes wegen: Sponsoren wollten ihre Firmenfarben sehen. Populär ist die Anekdote, wieso Deutschland 1934 von Weiss zu Silber wechselte. Am Vortag des Asus-Rennens soll die Mercedes-Mannschaft bemerkt haben, dass ihr W-25-Renner statt erlaubter 750 trocken 751 Kilo wog. Daraufhin soll Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer so weiss wie seine Autos geworden sein und Order gegeben ha-ben, nachts den Lack von der Alukarosserie abzuschleifen. Die «Silberpfeile» waren geboren! Später kamen Zweifel auf, da bereits 1932 ein Mercedes-Renner silberfarben auftrat und das Silber nicht das nackte Alu, sondern ein Überzug aus einer Art Ofenbronze war – das riecht eher nach Planung. Andererseits: Es gibt Fotos, die die «Silberpfeile» kurz zuvor noch weiss zeigen. Legende oder Fake? Das bleibt offen.

Die Schweiz fährt Grau vor Weiss  und Schwarz
In den 1950er-Jahren wurde die Autowelt bunter. Thermoplastische Acryllacke (TPA) hiess gen USA das Zauberwort. Fröhliche Farben vertrieben die Oliv-, Grau- und Brauntöne des Zweiten Weltkriegs – auch weil Farbdruck, -film und später -fernsehen dies sichtbar machten. Himmelblau war «in» – oder Pink. Nicht etwa Cadillac, sondern Ford setzte zuerst da-rauf, aber zum Trend wurde es erst, als Elvis Presley seinen Cadillac pink lackieren liess und in einem Hit vom «pink Cadillac» sang. In den 1960ern setzten sich Zwei-Komponenten-Acryllacke und Knallfarben durch (Leuchtgelb, Giftgrün und Co.), wobei der Trend massgeblich von Marken wie Lamborghini befeuert wurde. Eine kunterbunte Ära.

Heute dominieren wasserbasierte Lacke und wenig Mut zur Farbe: Weltweit führt Weiss vor Schwarz und Grautönen wie Anthrazit und Silber, zusammen drei Viertel aller Autos. Im Schweizer Autobestand liegen Grautöne mit gut einem Drittel vorne, dahinter je ein Viertel Weiss und Schwarz. Blau macht nur zehn, Rot nur fünf Prozent aus. Wobei Folieren ermöglicht, etwa modischen Mattlack nur zu tragen, solange er «in» ist. Am Rande: BMW zeigte 2019 einen X6 in dem schwärzesten Schwarz, das autolackierbar ist. Das gegen Lichtreflexe für Satellitenkameras entwickelte Vantablack VBx2 schluckt 99 Prozent des Lichts, gefühlt schaut man ins Nichts. Und das kostet 100 Franken – pro Quadratzentimeter!

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Schwärzer geht es nicht:  Ein BMW X6 in Vantablack, das 100 Franken kostet –  pro Quadratzentimeter!  Foto: BMW

Heute im Trend ist morgen von gestern
Autofarbentrends verdanken wir teils hauptberuflichen Autofarbentrendexperten: Die Farbentrends entstehen oft per «Color Forecasting»: Akzo Nobel oder Pantone beispielsweise küren Trendfarben (wie die Pantone-Farbe des Jahres 2023 namens «Viva Magenta»), was in enger Wechselwirkung mit Modeindustrie und den Autoherstellern dann über Trendreports (etwa jenen von BASF) die Farbzukunft definiert. Darum sind etwa warme Erdtöne mal «in» und dann wieder «out» – und deshalb sehen unsere Autos genau wie unsere Kleidung auf alten Fotos farbseitig so gestrig aus.

Mitunter schaffen es Autofarben sogar in den allgemeinen Sprachgebrauch. Wie der «pink Cadillac» – oder wie eine Redewendung: «Dasselbe in Grün.» Im Jahr 1924 hatte Opel das Modell 4 PS auf den Markt gebracht, la-ckiert stets in Grün. Das brachte dem ersten deutschen Fliessbandauto erst den Rufnamen «Laubfrosch» ein und dann eine Klage von Citroën: Der Opel war eine 1:1-Kopie des erfolgreichen Citroën 5 CV (Typ C) von 1922, den es nur in Gelb (Spitzname «Kleine Zitrone») gab. Doch ein (deutsches …) Gericht wies die Klage aus Frankreich ab. Schliesslich sei ja der Kühlergrill anders. Und eben die Farbe. Daraus machte der deutsche Volksmund prompt, der Opel sei doch «dasselbe in Grün».
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