E-Trucks und Service aus einer Hand

Vollelektrische Nutzfahrzeuge

E-Trucks und Service aus einer Hand

18. Dezember 2024 agvs-upsa.ch – Manch ein Logistikunternehmen ist schlicht gezwungen, Elektrolastwagen anzuschaffen – weil der Kunde es wünscht. Aber ist die Technik schon alltagsreif? Die Auto AG Group in Rothenburg LU meint: ja. Zu ihren LKW der chinesischen Marke BYD offeriert sie schweizweiten Service an elf Standorten der Auto AG Truck. Rainer Klose


Elektronutzfahrzeuge aus China in der Schweiz: Pascal Job, Geschäftsführer der BF Import, einer Tochterfirma der Auto AG Group, zeigt hier BYD ETM6 (l.) und BYD ET-8 H. Fotos: AGVS-Medien 

Mittagspause in Rothenburg LU. Wir stehen im Innenhof der Auto AG Truck, umgeben von LKW-Werkstatttoren. Es ist so still, dass man ein Mittagsschläfchen halten könnte, dabei rangiert hier gerade ein Elektrolastwagen mit 8,6 Tonnen Nutzlast. So lange der Lastwagen vorwärts rollt, ist nur ein feines Sirren zu hören; im Rückwärtsgang ertönt vor allem das typische, vorgeschriebene Warnpiepsen. Der ungewöhnlich stille graue LKW mit weissem Koffer stammt vom chinesischen Hersteller BYD und ist gerade erst eingetroffen. Unter der Kabine des BYD ET-8 H sitzt kein Diesel, sondern ein E-Antrieb mit 180 kW (245 PS). Zwischen den Achsen sind Lithium-Eisenphosphat-Akkus mit 255 kWh Kapazität für bis zu 220 Kilometer Reichweite eingebaut. 

Am Steuer sitzt Pascal Job, Geschäftsführer der BF Import AG, 100-prozentige Tochterfirma der Auto AG Group. Das Team der neuen Firma kümmert sich um Import, Homologierung, Vertrieb sowie Aftersales und will BYDs E-Trucks in der Schweiz populär machen, vielleicht sogar an etablierten europäischen Herstellern vorbeiziehen. Ein gewagtes Experiment, doch mit viel Potenzial: Der Mann scheint vorbereitet. Seine Firma auch.

Wichtig ist ein dichtes Servicenetz 
Pascal Job ist ein alter Hase im Nutzfahrzeuggeschäft. Er kennt die Branche seit 2007 und hat bereits für diverse LKW-Marken in der Schweiz und Österreich gearbeitet. Job weiss, dass zum Lastwagenverkauf nicht nur schicke Testfahrzeuge nötig sind, sondern vor allem ein vertrauenerweckendes Serviceangebot. «Wer LKW verkauft, weiss, dass der Kunde nach wenigen Minuten fragt: Wo seid ihr daheim? Wo repariert ihr die Fahrzeuge? Und: Wie sind eure Öffnungszeiten?» Pascal Job hat eine Antwort: «Die Auto AG Truck, welche die Wartungs- und Reparaturarbeiten durchführt, hat 13 Betriebe an elf Standorten in der Deutschschweiz und im Tessin. Für unsere bestehenden wie künftigen Kunden sind die Betriebe in diesen Regionen bis auf wenige Ausnahmen in maximal 60 Minuten erreichbar», verspricht Job. Und falls ein Kunde in einer anderen Region seine BYDLKW kaufen möchte? «Dann suchen wir uns dort einen Servicepartner.» 

Warum chinesische Lastwagen? 
Die Schweiz wird dabei zum westeuropäischen Pionierland für BYD Trucks. Die BYDEuropazentrale in den Niederlanden beliefert bislang Importeure in Griechenland, Ungarn, der Slowakei und Polen. Westeuropa ist noch ein weisser Fleck. Dennoch hat sich die BF Import AG bewusst für die chinesische Marke entschieden. Job erklärt das so: «Die europäischen Hersteller haben ihre Elektrolastwagen oft auf Basis der dieselbetriebenen Modelle entwickelt.» BYD dagegen wurde 1995 gegründet und als Hersteller von Handy-Akkus gross. 2003 fing die PW-Produktion an, 2013 kamen LKW und Busse dazu. «Hier sind die Kernkomponenten aus einem Guss – von Batterietechnik über Leistungselektronik und Batteriemanagement bis zu den Motoren produziert BYD alle Kernkomponenten selbst.»


Unter einer (für das Foto entfernten) Abdeckung stecken im ET-8 H zwischen den Achsen Akkus mit 255 kWh.

Drei Vorführlastwagen stehen parat 
Um Kunden zu überzeugen, hat die BF Import AG drei Vorführmodelle vorbereitet: Das grösste Modell ist der BYD ET-8 H (19-Tonnen- Chassisfahrzeug) mit 8,6 Tonnen Nutzlast. Daneben gibt es zwei Varianten des kleineren Modells BYD ETM6 (7,5-Tonnen-Chassisfahrzeug) mit 2,6 Tonnen (Kofferaufbau, Radstand 4200 mm) respektive 3,2 Tonnen (Brückenaufbau, Radstand 3360 mm) Nutzlast. Auf dem Hof der Auto AG Truck steht bei unserem Besuch ein ETM6 mit Pritsche. «Noch ist kein Kaufvertrag unterschrieben», räumt Pascal Job bei unserem Besuch Mitte November ein. Doch er spüre bereits Interesse. «Einer unserer potenziellen Kunden fährt für ein Möbelhaus und hat von der Konzernzentrale die Anfrage erhalten, auf CO2-freie LKW umzurüsten.» Auch von Schweizer Lebensmittelgrossisten gebe es ähnliche Vorgaben für ihre Spediteure. Ebenfalls Nachfrage bestehe seitens Organisationen der öffentlichen Verwaltung. 

Doch auch eine eigene Kalkulation des Spediteurs könnte zum Umstieg führen. Bis 2030 sind E-LKW von der LSVA befreit. «Ein mittelgrosser Lastwagen im Verteilverkehr, der 100 000 Kilometer pro Jahr zurücklegt, kostet rund 40 000 Franken LSVA pro Jahr», rechnet Job vor. «Mit dieser Fahrleistung ist der Mehrpreis schon nach vier bis fünf Jahren amortisiert.» Dazu komme, dass Betriebe ab einer gewissen Grösse den Strom günstiger auf dem freien Markt einkaufen könnten.

Detaillierte Beratung vor dem Kauf 
Doch klar ist: Potenzielle Käufer von E-LKW brauchen deutlich detailliertere Verkaufsberatung als Käufer von Diesel-LKW. «Die aktuellen Serien von BYD ETM6 respektive BYD ET-8 H sind mit einer einheitlichen Batteriegrösse erhältlich», sagt Job. «Aber schon 2025 wird eine Auswahl zwischen verschiedenen Batteriegrössen möglich.» Ab dann muss der Verkäufer die richtigen Fragen stellen. «Ich muss wissen, in welcher Region das Fahrzeug genutzt werden soll, wie lange die Touren sind, wie schwer typischerweise beladen wird und ob auf dem Lieferweg Energie nachgeladen werden kann», erläutert Job. Nicht immer sei die grössere Batterie die bessere Lösung. «Eine zu grosse Batterie, die nur halb genutzt wird, ist totes Investitionskapital – und zusätzlich verringert sie die Nutzlast.» 

Es gibt also noch viel zu lernen für die Pioniere des E-Zeitalters. Nachdem alle Fotos im Kasten sind, fahren wir im ETM6 mit zurück zur Firmenzentrale. Pascal Job parkiert im Hof. Wieder fällt diese Stille auf. Und wir denken: Es wäre doch schön, wenn der innerstädtische Verteilverkehr dereinst mit solch leisen Fahrzeugen auskommen würde. 
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